Bisher leisten kaum Frauen Zivilschutz, doch das soll sich ändern. Mit der obligatorischen Teilnahme von allen am Orientierungstag plant man die Bereitschaft zu steigern. Denn von einem höheren Frauenanteil könnten nicht nur die Organisation, sondern auch die Frauen selbst profitieren.

Von Nelio Biedermann

Horgen. – Zwei lachende Frauen mit orangen Helmen, hochgeklappten Visieren und Motorsägen in der Hand geben sich ein High Five. Im Hintergrund ein weisses Auto, zwischen ihnen ein Baumstamm, der in den Wagen gestürzt ist. Mit diesem Bild wirbt der Zivilschutz des Kantons Zürich für mehr Frauen in der Organisation, denn der prozentuale Anteil, den diese ausmachen, ist klein. Während der Frauenanteil in der Schweizer Armee 1,6 % beträgt, ist er im Zivilschutz noch niedriger. Doch beide Organisationen streben eine Steigerung in diesem Bereich an. Kommandant Beat Klingelfuss sieht gerade beim Zivilschutz auch ein grosses Potenzial. «Der Zivilschutz ist eigentlich viel alltags- und familienverträglicher als der Militärdienst», sagt er. Während der Militärdienst den Alltag während der Rekrutenschule und den Wiederholungskursen unterbricht, lässt sich der Zivilschutz viel besser mit dem Privatleben vereinbaren.

Die Armee hat bei Frauen keinen Vorrang

Der Weg zu einer der sechs Grundfunktionen ist einfach und kurz. Auf ein positives Gesuch, das bei dem für den Zivilschutz zuständigen Amt des Kantons eingereicht werden muss, folgen zwei Tage Rekrutierung in Rüti, während der verschiedene Tests absolviert werden, um eine Funktion zu finden, die den persönlichen Fähigkeiten und nach Möglichkeit auch den Wünschen entspricht. Im Gegensatz zur Rekrutierung der Männer hat die Armee bei jener der Frauen keinen Vorrang, sie können sich von Anfang an und selbst für den Zivilschutz entscheiden. Anschliessend stehen nur noch der zweitägige Grundkurs und der neuntägige Fachkurs im Ausbildungszentrum in Andelfingen an, während denen man entweder zu Hause übernachten oder auf Wunsch ein Hotelzimmer im Ausbildungszentrum beziehen kann. Nach Abschluss der Grundausbildung erfolgt die Einteilung in eine Zivilschutzorganisation in der Region des Wohnorts. In dieser werden die obligatorischen jährlichen Wiederholungskurse absolviert. Vom Gesetzgeber vorgesehen sind mindestens drei Tage pro Jahr. Anders als die Männer können die Frauen die Dauer ihres Dienstes selbst festlegen und ihr freiwilliges Engagement jederzeit beenden.

Der Bundesrat plant Orientierungstag für alle

Um den Frauenanteil in Zivilschutz und Armee zu erhöhen, soll die Teilnahme am Orientierungstag zukünftig auch für Frauen obligatorisch werden. Bundesrätin Viola Amherd erklärt, dass die Frauen einen Einblick in die Möglichkeiten und Chancen erhalten sollen, die ihnen das Militär und der Zivilschutz bieten. So soll eine höhere Bereitschaft für den freiwilligen Dienst erreicht werden. Hierfür muss der Bundesrat jedoch einen zweiten Anlauf für die Verfassungsänderung nehmen, die 2018 noch knapp scheiterte, weil sich die Kantone gegen das Obligatorium aussprachen. Die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz, Feuerwehr und der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz begrüssen den Plan des Bundesrats jedoch, denn mit mehr dienstleistenden Frauen könnten sie den akuten Personalmangel bekämpfen. Die Regierung zeigt sich indessen überzeugt, dass ein obligatorischer Orientierungstag für alle die Bereitschaft der Frauen erhöhen und gleichzeitig die Chancengleichheit verbessern würde. Auch Roseline Gantenbein, Offizierin in der Führungsunterstützung des Krisenstabs Flughafen Zürich, ist überzeugt, dass ein höherer Frauenanteil im Zivilschutz viele Vorteile mit sich bringen würde: «Frauen könnten andere Jobprofile und Fähigkeiten mitbringen, von denen der Zivilschutz profitieren könnte. Ausserdem würde ein höherer Anteil an dienstleistenden Frauen die Anerkennung und Verbreitung des Zivilschutzes fördern.» Doch nicht nur der Zivilschutz profitiert von ihrem Dienst, auch sie selbst tut es. Seit sie sich für mindestens drei Jahre verpflichtet hat, hat sie vor allem gelernt, wie man zielorientiert führt. «Und man wird natürlich stressresistenter», fügt sie lachend hinzu. Trotzdem ist sie wie Kommandant Klingelfuss der Meinung, dass sich Dienst und Alltag gut vereinen lassen, obwohl sie darauf bedacht ist, ihre Aufgaben im Zivilschutz sehr gut zu machen. «Es ist einfach eine sinnvolle Sache. Man kann in eine völlig andere Welt eintauchen und im Ernstfall bei der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen helfen.»