Bataillonskommandant Beat Klingelfuss entschied sich, freiwillig Schutzdienst zu leisten. Und so durchlief er heuer nochmals eine Musterung und wurde für schutzdiensttauglich befunden. Im Interview erklärt er seine Beweggründe.
das Gespräch führte Patrick Mallát
PM: Herr Klingelfuss, Sie sind vom Berufsmilitär in den freiwilligen Zivilschutz gewechselt. Wieso nicht in die Feuerwehr oder zur Polizei?
BK: Ich ging nicht zur Feuerwehr, weil ich im Alter von 20 bis 30 Jahren oft umgezogen bin und diese an den Wohnort gebunden ist. Ich bin in Kilchberg aufgewachsen, habe dann einige Jahre in Adliswil und Bern gewohnt. Danach begannen meine Auslandseinsätze, während denen ich regelmässig ausser Landes war und unter anderem in der Innerschweiz arbeitete. Um bei der Feuerwehr mitzumachen, muss man sehr ortstreu sein, und obwohl ich gerne am linken Zürichseeufer lebe, war ich nicht ausreichend verwurzelt dafür. Ich habe kurz überlegt, zur Polizei zu gehen, aber es hat mich nicht genug gereizt. Berufsmilitär hingegen schon. Nur die Auslandseinsätze konnte ich nicht für immer machen, und das war für mich der interessanteste Teil. Dann habe ich beschlossen, dass ich etwas Neues tun möchte, und diese Stelle hat sich mir angeboten. Und ich habe das Gefühl, dass sie mir wie auf den Leib geschrieben ist. Ein 12-minütiger Arbeitsweg im Vergleich zu ein bis zwei Stunden früher ist ebenfalls ein gutes Argument.
PM: Woher kommt Ihrer Meinung nach die Inspiration für Ihren unermüdlichen Dienst?
BK: Das kommt aus meiner Erziehung, denn mein Vater ist ebenfalls zur Armee gegangen und hat mir vermittelt, dass unser Milizsystem funktioniere und dass der Dienst ihm essenziell sei. Das fängt beim Militär und Zivilschutz an, aber auch Freiwilligenarbeit, Vereinsarbeit, die Pflege von Angehörigen und so weiter sind ebenso Teil unserer Gemeinschaft. Ich finde das genauso wichtig und war schon immer so eingestellt.
PM: Warum sollten sich mehr Leute für den Freiwilligendienst melden?
BK: Die Milizarbeit hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Es geht um Gerechtigkeit, jeder profitiert, aber gibt auch etwas an die Allgemeinheit zurück. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen, aber ich finde es schade und unterstütze es, dass es wieder selbstverständlich wird, dass sich jeder irgendwo engagiert. Das derzeitige System muss der Gerechtigkeit halber überholt werden.
PM: Gilt dieser Aufruf auch für Reservisten und andere bereits Eingeteilte?
BK: Ich möchte sicher alle Frauen ansprechen, denn der Zivilschutz ist besonders interessant, freiwillig mitzumachen, da es familienverträglicher ist als zum Beispiel eine 17-wöchige Rekrutenschule mit monatlichen Wiederholungskursen, und in der Regel ist es näher am Wohnort. Alles, was ein männlicher Zivilschützer kann, können weibliche Zivilschützerinnen genauso. Es ist im Moment einfach noch nicht so bekannt, dass Frauen das ebenfalls tun dürfen. Es gibt Bestrebungen, Frauen zu Informationsveranstaltungen einzuladen und sie gegebenenfalls für eine Rekrutierung zu gewinnen. Das hätte für mich ein enormes Potenzial, wenn wir Frauen, Reservisten und bereits Eingeteilte sowie Zivilschützer, die am Ende ihrer Dienstpflicht stehen, dazu motivieren könnten, freiwillig länger zu bleiben.
PM: Welche Aufgaben benötigen besondere Unterstützung?
BK: Erstens wäre das unsere gesamte Palette an Logistik, damit der Zivilschutz überhaupt funktionieren kann. Dazu gehören Fahrer, Materialverantwortliche und die gesamte Administration. Es gibt ein breites Spektrum an Möglichkeiten, wobei hier besonders Köche hervorgehoben werden sollten, da die Armee viel Potential in diesem Bereich beansprucht. Die Tauglichkeit wird dort anders streng beurteilt als bei Kombattanten, was vollkommen verständlich ist, aber am Ende bleiben kaum Köche, Serviceangestellte oder andere kochbegeisterte Personen bei mir hängen. Wir suchen auch immer Verstärkung im Bereich Kulturgüterschutz. Hier möchte ich besonders diejenigen ansprechen, die kunstaffin sind oder sich mit Sammlungen auskennen, sei es Historiker, Archivare oder jemand mit einem Flair dafür. Diese Personen sind für Museen, Archive und Sammlungen im Bezirk tätig und erstellen Inventarlisten, die dann der Feuerwehr zur Verfügung stehen, damit im Brandfall oder nach einem Zwischenfall bekannt ist, wo sich die wertvollsten Objekte befinden. Im Einsatzfall, wenn zum Beispiel in einer solchen Institution ein Brand ausbricht, helfen sie dabei, den Schaden so gering wie möglich zu halten.
PM: Sollte man sich auch ohne entsprechende Erfahrung bewerben, aber bereit sein, es „on the job“ zu lernen?
BK: Ja, alle sind willkommen.
PM: Um wie viele offene Stellen handelt es sich hier schätzungsweise? Sollte ich mich noch bewerben, wenn ich von 10 Kollegen weiss, dass sie bereits Interesse bekundet haben?
BK: Es gibt keine Obergrenze. Wenn sich ein Dutzend Personen anmelden und sie auch geeignet sind, nehmen wir sie alle.
PM: Kann man sich anderswo bewerben, wenn die gewünschte Stelle hier bereits besetzt ist?
BK: Die Zuweisung zur Zivilschutzorganisation ist für Verpflichtete gegeben, aber für Freiwillige ist es etwas anders. Wir müssen nicht innerhalb von Minuten einsatzbereit sein, aber es sollten keine Tage vergehen. Wenn das Interesse bei jemandem geweckt wurde, der weiter entfernt wohnt, besteht überall die Möglichkeit der freiwilligen Mitwirkung. Man kann sich bei der örtlichen Zivilschutzorganisation melden, und sie werden einen dort ebenfalls mit offenen Armen empfangen.
PM: Welche Rolle spielt die Diensttauglichkeit bei Freiwilligen?
BK: Freiwillige durchlaufen denselben Rekrutierungsprozess wie alle, die der Wehrpflicht unterliegen, und müssen zivilschutztauglich sein.
PM: Schlimmster Fall: Eine Frau meldet sich zum Militärdienst, wird aber als untauglich eingestuft und soll Wehrpflichtersatz zahlen. Ist das hier auch möglich? Oder handelt es sich hierbei um eine moderne Legende?
BK: Eine Frau muss niemals Wehrpflichtersatz leisten, da sie nie wehrpflichtig ist. Wenn sie jedoch militäruntauglich, aber zivilschutztauglich ist, kann sie dem Zivilschutz beitreten. Und wenn sie sich dazu entscheidet, hat sie die gleichen Rechte und Pflichten wie andere Zivilschützer. Sie leistet dann ebenfalls ihre jährlich drei bis 21 Diensttage. Unabhängig von der tatsächlichen Anzahl spielt es für Abzüge keine Rolle, da sie nie zahlt.
PM: Welche Möglichkeiten gibt es, Teilzeit zu arbeiten, um die regelmässige Anwesenheit im Beruf beizubehalten?
BK: Leider erlaubt Halbtagsarbeit gesetzlich keinen Erwerbsersatz. Bezüglich der Vereinbarkeit von Zivilschutz, Beruf und Familie: Es handelt sich um maximal 21 Tage pro Jahr und nicht mehr als fünf Tage am Stück, ausser für Kaderpositionen. Meist erreichen nur Kommandanten diese Anzahl, daher behaupte ich, dass es sehr gut vereinbar ist. Wir sind auch ziemlich flexibel bei der Einteilung, insbesondere bei speziellen Positionen. Wir haben zwei bis drei Pionier-Wiederholungskurse pro Jahr, bei denen eine gewisse Flexibilität besteht. Allerdings benötigen wir gleichzeitig bei etwa 15 Veranstaltungen Köche, und wenn jemand an einem Termin verhindert ist, findet sich oft eine Alternative.
PM: Wie schnell kann man nach der Nachricht mit der Einberufung zur Ausbildung rechnen?
BK: Nach dem Interesse und der Anmeldung folgt als nächster Schritt die Rekrutierung. In unserer Region findet dies in Rüti statt und es erfolgt regelmässig innerhalb weniger Wochen. Dort wird die Tauglichkeit ermittelt und die spezifischen fachlichen Angelegenheiten werden geprüft. Ich gehe davon aus, dass man innerhalb von zwölf Monaten die Ausbildung absolvieren kann.
PM: Behalten Angehörige der Armee ihren Rang, wenn sie zum Zivilschutz wechseln?
BK: [lacht] In meinem Fall nicht, aber normalerweise ja. Ich war Oberst, der höchste Rang im Kanton, aber ich sehe das jetzt auch kaum als Degradierung. In der Regel behält man seinen Rang.
In der Schweiz steht es der breiten Bevölkerung offen, sich freiwillig für den Zivilschutz zu melden. Angehörige des Zivilschutzes können dies tun, nachdem sie aus der Schutzdienstpflicht entlassen worden sind oder wenn sie nicht mehr militär- oder zivildienstpflichtig sind. Personen, die das gar nie waren, können dies ab 18 Jahren ebenfalls tun. Alle jene Personen müssen beim Amt für Militär und Zivilschutz ein Gesuch einreichen. Wird es angenommen, nimmt man an einer Rekrutierung teil, sofern man nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt rekrutiert worden ist. Danach absolviert man die Grundausbildung von zehn bis 19 Tagen innerhalb von drei Jahren nach der Rekrutierung. Verfügt man bereits über eine gleichwertige Ausbildung, bestimmt der Kanton, ob man die Grundausbildung absolvieren muss.
Freiwillige Schutzdienstleistende sind in Rechten und Pflichten den Schutzdienstpflichtigen gleichgestellt. Sie werden von Amtes wegen aus der Schutzdienstpflicht entlassen, wenn sie die AHV-Altersrente beziehen. Auf Gesuch hin können sie nach drei Jahren auch früher aus der Schutzdienstpflicht entlassen werden.
Oberstleutnant Beat Klingelfuss war als Friedensbeobachter in den verschiedensten Ecken der Welt unterwegs, wie Afghanistan, Bosnien, Kongo, Korea und Libanon. Nach 22 Jahren in der Armee beendete er diese Laufbahn und führt seitdem seine Arbeit im Dienste der Schweiz unter dem Banner des ZVZZ freiwillig fort, wo er nun Bataillonskommandant und Geschäftsführer ist.
Weiterführende Informationen:
https://www.babs.admin.ch/de/zs/pflicht/freiwillige.html
https://www.zvzz.ch/2022/10/der-zivilschutz-sucht-spezialisten/